Epigenetik – Es steht doch nicht alles in den Genen

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Ihre Gesundheit verdanken Sie zu einem grossen Teil Ihren Genen und diese vererben Sie weiter an Ihre Nachkommen. So weit so gut. Nun liefern aber seit einigen Jahren epidemiologische Studien Hinweise dazu, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist.

Wir wissen schon lange, dass uns ein ungesunder Lebensstil – eine schlechte Diät, Stress, wenig Bewegung – krank macht. Neuste Untersuchungen zeigen nun, dass die negativen Folgen eines ungesunden Lebensstils auch an die Nachkommen vererbt werden können. Eine wissenschaftliche Sensation, denn bis anhin ging man davon aus, dass das nicht möglich sei, weil diese erworbenen Informationen nicht in den Genen kodiert sind.

Wissenschaftler erklären dieses Phänomen mit einer sogenannten epigenetischen Modifikation der Erbsubstanz. Das sind chemische Muster auf der DNA, die steuern in welchem Ausmass Gene ein- und ausgeschaltet werden. Solche chemischen Muster können zum Beispiel durch eine schlechte Ernährung der Eltern entstehen und dazu führen, dass die Kinder dieser Eltern, trotz einer gesunden Ernährung, ein erhöhtes Risiko für Diabetes haben.

Umwelteinflüsse und Alterung

Eineiige Zwillinge haben absolut identisches Erbmaterial und sehen daher als kleine Kinder gleich aus. Je älter sie werden, desto mehr unterscheiden sie sich, da die unterschiedlichen Umwelteinflüsse das Aussehen über epigenetische Steuerung beeinflussen.

Bei einer schwangeren Frau kann dieser Umweltstress (z.B. Rauchen) gleich drei Generationen beeinflussen: die  Mutter, das ungeborene Kind und bei einem weiblichen Fötus dessen bereits vorhandene Eizellen.

Molekulare Mechanismen der Epigenetik

Unsere DNA hat eine Länge von 3.2 Milliarden Bausteinen und ist aufgeteilt auf 23 verschiedene Chromosomen pro Zelle. Erstaunt stellte man fest, dass nur ca. 2% der DNA für unsere rund 23‘000 Gene kodiert. Der Rest wurde früher als „Abfall-DNA“ bezeichnet. Inzwischen weiss man, dass auch diese nicht kodierenden DNA Sequenzen wichtige Funktionen haben. Sie helfen zum Beispiel dem Genom (Gesamtheit aller Gene einer Zelle), sich an Umwelteinflüsse anzupassen.

Die epigenetische Modifikation erfüllt ähnliche Aufgaben. Dabei wurden bis heute vor allem die drei folgenden Mechanismen entdeckt:

1. Die DNA Methylierung (chemische Veränderung an der DNA)
2. Die Histon Modifikation (chemische Veränderung an den Histonen, den „Spulen“, um die sich die DNA windet)
3. Die Produktion von Micro-RNA (sehr kurze Nucleotidketten, die die Genregulation beeinflussen)

Diese drei Mechanismen ermöglichen ein Aktivieren  oder Abschalten von Genen ausgehend von Umwelteinflüssen wie Ernährung, Sport, Stress oder Luftverschmutzung. Diese epigenetischen Veränderungen an der DNA können an die Tochterzellen vererbt werden. Wenn sich die Umweltbedingungen über eine lange Zeit wieder ändern, können diese epigenetischen Modifikationen aber auch wieder rückgängig gemacht werden.

Epigenetik und Kosmetik

Als Biochemiker in der Mibelle interessiert mich natürlich der Zusammenhang zwischen Epigenetik und Hautalterung. Dazu gibt es leider noch sehr wenige Untersuchungen. Klar ist jedoch, dass Luftverschmutzung, UV-Licht und andere externe Stressfaktoren bei chronischer Exposition zu einer nachhaltigen Hautalterung führen. Dabei werden die Hautzellen epigenetisch verändert und sie altern auch beim Wegfallen der Stressfaktoren weiter.

Bei unserer Forschung suchen wir nun nach Wirkstoffen, die diese negativen chemischen Markierungen wieder normalisieren und so der Hautalterung entgegen wirken. Eine interessante Analogie dazu fanden wir bei der Entwicklung der Bienenköniginnen. Diese sind viel grösser und leben viel länger als die genetisch identischen Arbeiterbienen. Die Langlebigkeit der Bienenköniginnen beruht auf epigenetischen Markierungen auf der DNA. Sie werden durch eine spezielle Ernährung in der Larvenphase ausgelöst:  Die Königinnen-Larve wird ausschliesslich mit Gelée Royale gefüttert, während die anderen Larven mit Pollen gefüttert werden. Über die Analyse der Inhaltsstoffe von Gelée Royale konnten wir einen neuen Peptid-Wirkstoff konzipieren, der sich positiv auf die Hautregeneration auswirkt.

In unseren weiteren Forschungsarbeiten untersuchen wir die epigenetischen Veränderungen in der Haut als Funktion der Alterung und der Umwelt. Wir versuchen dann mit diesen Erkenntnissen, die Haut gegen diese negative Effekte zu schützen oder schon vorhandene Reprogrammierungen zu reduzieren.

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