Tiergift – Heilsame Wirkung auch für Kosmetik

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Der Biss der brasilianischen Wanderspinne kann bei Männern langandauernde Erektionen auslösen, sehr schmerzhaft sein oder sogar zum Tod führen. Im Gift der Spinne haben Wissenschaftler nun eine Substanz gefunden, die für die Erektionen verantwortlich ist, aber keine der schädlichen Nebenwirkungen aufweist. Diese Substanz, genannt PnPP-19, wird jetzt durch Pharmafirmen genauer untersucht und hat das Potential zum neuen Viagra.

Die Forschung an Tiergiften führte bisher zur Entwicklung vieler erfolgreicher Medikamente. Zum Beispiel wurde der erste Wirkstoff gegen Bluthochdruck (Captopril) dem Gift der brasilianischen Lanzenotter nachempfunden und so designt, dass dabei keine toxischen Nebenwirkungen auftreten.

Tiergift-Technologie auch für die Kosmetik?

Wir haben diesen Ansatz bei Mibelle Biochemistry aufgenommen und entwickeln Wirkstoffe aus tierischen Toxinen (Venoms) für die Kosmetik. Dazu starteten wir eine Zusammenarbeit mit der englischen Firma Venomtech® Ltd (www.venomtech.co.uk), die sich auf die Erforschung von Wirkstoffen aus Toxinen spezialisiert und bereits Gifte von zweihundert verschiedenen Tieren analysiert hat.

Steve Trim, Managing Direktor dieser aufstrebenden Firma, hat eine 20-jährige Erfahrung auf dem Gebiet der Medikamentenentwicklung mit Gifttieren und der damit verbundenen Aufschlüsselung der Cocktails. In folgendem Interview erzält er uns mehr über dieses spannende Gebiet und wie Wirkstoffe basierend auf Tiergiften designt werden könnten:

Steve, Tiergifte haben sich evolutiv nicht dazu entwickelt, unsere Krankheiten zu heilen. Warum haben Toxine trotzdem eine so grosse Bedeutung für die Erforschung neuer Medikamente?

Viele Gifte haben eine Wirkung auf die Beute dieser Tiere, die auch für spezifische Probleme beim Menschen von Bedeutung sind. Zum Beispiel haben Gifte, die für Insekten toxisch sind oft auch eine schmerzstillende Wirkung bei Menschen, weil unsere Gene für Schmerzempfindung ähnlich sind wie die der Insekten.

Die Gifte einiger Schlangen und Skorpione sind extrem potent. Ein paar Milligramm eines Giftes können eine Person problemlos umbringen. Wie stellen Sie sicher, dass die potentiellen neuen Medikamente ungefährlich sind in der Anwendung?

Die Gifte sind zusammengesetzt aus Hunderten von verschiedenen kleinen Peptiden und Proteinen. Der ganze Cocktail dieser Moleküle ist sehr gefährlich. Einzelne isolierte Komponenten jedoch können gezielt spezifische Reaktionen im menschlichen Körper hervorrufen. Die Komponenten mit tödlicher Wirkung sind anders als diejenigen, die für die Therapien verwendet werden.

Wie finden Sie diese speziellen Giftkomponenten?

In unserer Forschungsarbeit isolieren wir kleine Mengen der Tiergifte und fraktionieren die Bestandteile. Jede einzelne Fraktion wird in spezifischen Assays getestet. So finden wir spezielle Aktivitäten, die relevant sind für Krankheiten z.B. im Zusammenhang mit einem Mangel an Neurotransmittern oder blockierten Ionenkanälen.

Wenn Sie ein aktives Molekül in einem Toxin entdeckt haben: Wie wird daraus ein Medikament entwickelt?

Sobald wir eine aktive Komponente in einem Gift gefunden und analysiert haben, können wir diese synthetisch herstellen. Das synthetische Molekül hat denselben Effekt wie die gereinigte Komponente aus dem Gift. In anderen Fällen werden synthetische Moleküle hergestellt, die die Wirkung der Giftkomponente simulieren. In beiden Fällen ist es viel einfacher, synthetische Versionen der Wirkstoffe nachzubauen, da die Produktionskapazität viel grösser und die Sterilität problemloser ist. Zudem werden nicht Hunderte von Gifttieren benötigt.

Denken Sie, dass dieses Vorgehen auch bei der Entwicklung von neuen Wirkstoffen für die Kosmetik funktioniert?

Natürlich. Die Synthese von kleinen Peptiden, die die Funktion eines Proteins simulieren, kann auch in der Kosmetik eine sinnvolle Strategie sein. So können Wirkstoffe basierend auf Tiergiften designt werden, die trotzdem nicht tierischen Ursprungs sind.

Was könnten potentielle Targets in der Haut sein bei der Entwicklung von giftstoffbasierten neuen Wirkstoffen?

Die Haut enthält viele verschiedene Sinnesrezeptoren für Schmerz, Wärme, Druck und andere Wahrnehmungen. Die Gifte diverser Tiere wie der Qualle oder der Seeanemone enthalten Proteine, welche solche Rezeptoren, z.B. den Schmerzrezeptor TRPV1, blockieren. So könnten mit Venom-Technologie Wirkstoffe für die sensitive Haut entwickelt werden.