Die Mibelle Group hat zusammen mit ihren Partnern eine neue Technologie entwickelt, die CO₂ in ein Fett umwandelt, das Palmöl ersetzen kann. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Die Mibelle Group sucht schon seit längerem für die Herstellung ihrer Rohstoffe eine Alternative zu Palmöl. Palmöl ist aufgrund des hohen Ertrags der Ölpalme und seiner langen Haltbarkeit aktuell ein unverzichtbarer Rohstoff für die Industrie. Ob in Lebensmitteln, Kosmetikprodukten, Reinigungsmitteln oder Biokraftstoffen – Palmöl ist in vielen Produkten enthalten, die wir täglich verwenden. Für den Anbau von Ölpalmen werden jedoch immer grössere Teile unserer Regenwälder abgeholzt. Die Kosmetikindustrie ist sich dieses Problems bewusst und bezieht Palmöl vorwiegend aus zertifiziertem Anbau. Dieser Ansatz stellt sicher, dass der Rohstoff aus nachhaltig bewirtschafteten Quellen stammt. Doch nachhaltiger Palmölanbau kann den steigenden Bedarf einer wachsenden Weltbevölkerung langfristig nicht decken. Es braucht neue Lösungsansätze für die Zukunft. Gemeinsam mit LanzaTech und dem Fraunhofer IGB haben wir uns gefragt: Gibt es eine Möglichkeit, Palmöl zu umgehen, ohne dabei wieder auf fossile Quellen zurückgreifen zu müssen? Die Lösung lag in den hoch-modernen Biotechnologien von LanzaTech und dem Fraunhofer IGB.
Das klingt nach einem hoch innovativen Ansatz. Kannst du uns die Technologien genauer erklären?
Natürlich! Der Prozess besteht aus zwei aufeinanderfolgenden Fermentationsschritten. Im ersten Schritt wird CO₂, das sonst in die Atmosphäre ausgestossen worden wäre, in Alkohol umgewandelt. Dies geschieht mithilfe eines speziellen Gasfermentationsverfahrens, das von LanzaTech entwickelt wurde. Es ist ein bisschen vergleichbar mit dem Brauen von Bier, nur dass wir hier als Ausgangsmaterial CO2 anstelle von Getreide verwenden. Im zweiten Schritt wird dieser Alkohol von speziellen Öl-Hefen in Fett umgewandelt. Diesen Prozess hat das Fraunhofer IGB entwickelt. Wichtig ist, dass wir dabei ausschliesslich natürliche, nicht genveränderte Mikroorganismen einsetzen. Das Ergebnis ist ein hochwertiges Fett, das Palmöl in seiner Zusammensetzung und seinen Eigenschaften sehr ähnlich ist – aber vollständig palmölfrei und nachhaltig ist.
Wie weit ist diese Technologie bereits entwickelt? Können wir bald Produkte mit diesem palmölfreien Fett erwarten?
Wir sind auf einem sehr guten Weg! Die ersten Versuche im Labor waren äusserst vielversprechend. Derzeit arbeiten wir daran, die Produktion in den Kilogramm-Massstab zu bringen. Das bedeutet, wir übertragen die Prozesse aus dem Labor in eine grössere Produktionsumgebung, um erste Mengen des Fettes herzustellen. Diese Arbeit findet am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna statt. Parallel dazu testen wir bereits, wie sich das Fett in kosmetischen Formulierungen verhält. Unser Ziel ist es, in naher Zukunft erste Produkte auf den Markt zu bringen, die nicht nur hervorragende Pflegeeigenschaften haben, sondern auch einen positiven Beitrag zum Umweltschutz leisten.
Welche Herausforderungen gab es bei der Entwicklung der Technologie?
Innovative Technologien sind vor allem in ihrer Realisierung herausfordernd. Für den Weg vom erfolgreichen Laborversuch hin zur ökonomisch tragbaren Produktion braucht es nicht nur wissenschaftliches, sondern auch technisches Know-how und vor allem Unterstützer, die bereit sind sich für Klima und Umwelt zu engagieren. Wir haben hier das grosse Glück, tolle Kunden zu haben, die uns auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit aktiv begleiten.
Wie hoch ist der Energieaufwand für die Herstellung des neuen Fettes und wie nachhaltig ist dieser Prozess?
Fermentationsprozesse sind in der Regel energetisch günstig. Für den Fermentationsprozess von LanzaTech liegen uns schon eine Reihe unabhängig erstellter Ökobilanzen vor, die den ökologischen Vorteil zu herkömmlichen Herstellungsverfahren klar aufzeigen. Wir konnten mit der Technologie von LanzaTech bereits nachhaltigen Alkohol als Fettlöser, eine CO2 basierte PET-Flasche und ein Tensid herstellen. Für das palmölfreie Fett werden wir nach der Hochskalierung des Verfahrens ebenfalls eine Ökobilanz erstellen lassen. Der Vorteil zu herkömmlichem Palmöl ist aber jetzt schon ersichtlich, er liegt im Verzicht von Anbaufläche und der Wasserersparnis.
Palmöl ist ein sehr vielseitiger Rohstoff. Kann das neue Fett tatsächlich in allen Bereicheneingesetzt werden, in denen Palmöl verwendet wird?
Unser palmölfreies Fett hat eine ähnliche Zusammensetzung wie Palmöl und bietet daher eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten. Es ist ein echter Gamechanger, der viele Anwendungsgebiete abdecken könnte. Wir werden in Zukunft mit dem Fett auch palmölfreie Lebensmittel herstellen können. Zudem bietet es auch grosses Potential z.B. für Biokraftstoffe.
Zunächst konzentrieren wir uns aber auf die Kosmetikindustrie. Am Ende der Prozessentwicklung beim Fraunhofer CBP liegen uns erste Mengen hochwertigen Fettes vor, das auf Grund seiner Zusammensetzung nicht nur einen herausragenden Schutz für die Haut bietet, sondern auch zum Schutz unserer Umwelt beiträgt. In Zukunft hoffen wir, mit Unterstützung unserer Rohstofflieferanten, immer mehr unserer Rohstoffe auf diese nachhaltige Lösung umstellen zu können.
Wie siehst du die Zukunft der Kosmetikindustrie in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit?
Die Kosmetikindustrie bemüht sich schon seit Langem stark um die Nachhaltigkeit bei ihren Produkten und setzt immer mehr nachhaltig biologisch angebaute Rohstoffe ein. Die grosse Herausforderung ist jedoch, dass wir für eine wachsende Weltbevölkerung immer mehr Rohstoffe benötigen und den Bedarf schon zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr ohne starken Raubbau an der Natur decken können. Wir müssen möglichst rasch damit beginnen unsere gelernten Herstellungsprozesse und Ausgangsmaterialien zu überdenken. Hier braucht es nicht nur die Industrie, sondern ein Zusammenspiel aller Stakeholder. Auch Politik und Behörden sind gefragt, sie müssen den Weg für neue Lösungen ebnen und der Konsument soll die Möglichkeit haben, den ökologischen Fussabdruck eines Produktes klar zu erkennen.
Die Mibelle Group nimmt eine wichtige Vorreiterrolle ein und setzt sich seit Längerem mit innovativen Ansätzen für eine deutliche Verringerung der Umweltbelastung in der Branche ein. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Palmöl-Ersatz einen wichtigen Beitrag dazu leisten können.
Was treibt dich persönlich an, an solchen Projekten zu arbeiten?
Für mich als Mutter ist es eine Herzensangelegenheit, zum Erhalt einer lebenswerten Welt für die nächste Generation beizutragen. Die Nutzung von moderner Biotechnologie zur Herstellung von Produkten des täglichen Bedarfs finde ich sehr spannend und die daraus resultierenden Lösungen stimmen mich zuversichtlich, dass wir das auch erreichen können.
Was wünschst du dir für die Zukunft dieses Projekts?
Ich wünsche mir, dass wir diese Technologie schon bald zur Marktreife bringen und sie die nötige Unterstützung bekommt, sodass wir Palmöl in naher Zukunft in vielen Bereichen ersetzen können. Unser Wunschziel ist es, dass wir den wachsenden Bedarf decken können ohne weiteren Regenwald abzuholzen.